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SOZIALE ARCHITEKTUR

25/5/2018

 
​Wie wichtig ist die Gesellschaft in der Architektur?
​
Es ist einfach, sich etwas unter dem Begriff Architektur vorzustellen - oder nicht? Massive Wände, gläserne Fenster, der Schutz vor Wind und Wetter. Architektur ist Kunst, Technik, Planung und das Ergebnis einer Menge kreativer Ideen. Recherchen via Suchmaschine im Web antworten mit großen Worte wie: Management, Honorar, Planung und Durchführung.
 
Aber wurde bisher nicht eine wichtige Konstante übersehen? Dient ein Gebäude nicht in erster Linie dem Menschen, der Gesellschaft, dem sozialen Gefüge?
 
Immer häufiger tauchen Gebäude mit kalten, nackten Betonwänden auf, Häuser mit unpraktisch geschwungenen Wänden und, um es auf die Spitze zu treiben, sogar Städtebauliche auf höchstem Niveau durchgeplante Meisterwerke, die als unbewohnte Geisterstädte enden, wie Boomtown Kangbashi. - Die Aufzählung mag willkürlich erscheinen und keiner Akkumulation zu folgen. Dennoch haben sie tatsächlich alle eine Gemeinsamkeit: Es wird ungeniert ausgeblendet, dass neben dem physischen Raum auch ein sozialer Raum koexistiert.

 
[Sozialer Raum]
Es ist schwer ein theoretisches Konstrukt so zu erfassen, um diesem Glauben schenken zu können. Der soziale Raum ist nichts, das gesehen oder angefasst werden kann. Es ist etwas, dessen wir uns nur bewusst werden können.
 
Henri Lefebvre beweist die Existenz bereits um 1974 in seinem Text „Die Produktion des Raumes“ und kommt zu dem Schluss, dass (sozialer) Raum ein (soziales) Produkt ist. Es ist das Ergebnis aus physischem (greifbarem) Raum, dem Menschen und einem Bedürfnis.
Der Wirkungskreis beschränkt sich auf den Nutzer oder die Gesellschaft. Es heißt, gleicher Raum wird in unterschiedlichen Zeiten, Gesellschaftsschichten, Kulturen, Regionen, Religionen, Bildungsständen, politischen Neigungen … und, und, und… immer andere Bedeutungen annehmen. 

 
[Soziale Architektur]
Sozialer Raum muss nicht zwangsweise zwischen vier Wänden stattfinden, doch sollten vier Wände immer einen sozialen Raum implizieren. Die Architektur dient als Kulisse, ist Mittel zum Abstecken von Raum und erschafft Schwellen zwischen privat und öffentlich.
 
Nun stellt sich allerdings die Frage, wie gehen Architekten auf etwas so Inkonstantes wie den Sozialen Raum ein, wenn doch eine Vielzahl an Variablen letzten Endes darüber entscheiden ob ein Gebäude funktioniert oder nicht. Die Qualität von Architektur ist darin zu erkennen, dass ein Bedürfnis korrekt erkannt wurde, sie diesem nutzen kann und somit von der Gesellschaft angenommen wird.
 

[Beispiel 1 ]
Ein spannendes Beispiel hierfür ist die Entwicklung des Times Square in New York. Von Autos und Ampeln beherrscht wandelt er sich, richtig gestaltet, in einen Ort, an dem sich Menschen aufhalten wollen, in einen Treffpunkt, Knotenpunkt und sogar in eine Touristenattraktion.
Doch nicht nur auf öffentlichen Plätzen kann sozialer Raum gebildet werden.


Zwei Menschen, die mich selber sehr inspiriert haben und mit denen ich die Möglichkeit hatte ins Gespräch zu kommen sind, Luyanda Mpahlwa aus Südafrika und Pfarrer Sliverius Mwingira aus Tansania. Beide setzen sich auf so unterschiedliche weise ein, Orte zu schaffen, die dem sozialen Raum Patz schenken und sich den Bedürfnisse der Bewohner unterordnen.       

[Beispiel 2]
Luyanda Mpahlwa entwickelte ein Gebäudekonzept, bei dem es den Bewohnern der Townships Südafrikas ermöglicht wird, an dem Bau des neuen Eigenheimes teilzuhaben. Die Konstruktion besteht aus einer einfachen Holzrahmenkonstruktion, zwischen welche Sandsäcke für ausreichend Masse geschichtet werden. Durch die Einfachheit ist es kostengünstig ausreichend Material zu beschaffen. Die Bewohner helfen gemeinschaftlich an dem Projekt mit, wodurch ganz besonders der persönliche Wert für das Gebäude steigt und es so nicht nur eine Maßnahme der Regierung bleibt, sondern geschätzt und ebenso positiv angenommen wird. Das Konzept nennt sich RDP-Houses und ist in Süd Afrika sehr verbreitet.

Das mag nun nach einer merkwürdigen Aussage klingen und etwas absurd zu behaupten, dass das "Ausnutzen" der Bewohner als billige Arbeitskräfte etwas positives sei. Doch ist es tatsächlich so, dass Politische Maßnahmen wie Sanitäre-Einrichtungen für die Township Bewohner mit viel Argwohn betrachtet werden und häufig sogar dem Vandalismus zum Opfer fallen. Die Mithilfe beim Bauen hingegen zeigt den Bewohnern, dass sie Teil von etwas sind und sie selber etwas zu ihrem Glück beitragen können und dürfen. Der Erfolg des Projektes und die positive Reaktion bestätigen diese Aussage nur.

 
[Beispiel 3]
Pfarrer Silverius ist ein Mann des Glaubens, voller Energie und hoch motiviert das Land, in dem er lebt vorwärts zu bringen. Er fokussiert sich auf den Bau von Kirchen, Gemeinschaftshäusern, Lehrstätten und ähnlichem. Dabei kann man sich die Kirchen dort nicht vorstellen wie die unseren. Es sind Gebäude in denen Menschen sich aufhalten, sich austauschen und auch ein zweites zuhause finden. Es sind soziale Räume, in denen etwas passiert und wo die Gemeinschaft sich entfalten kann.
Mit Man- und Womanpower werden Fundamente gesetzt, Wasser von weit entfernten Flüssen geholt, Ziegelsteine geformt und gebrannt, um später Stein für Stein gemeinschaftlich, allen voran der Pfarrer, ein Gebäude zu verwirklichen.

Es werden Lehrstätten wie Nähschulen gegründet, um den Bewohnern Arbeit zu schenken und eine Einnahmequelle zu schaffen. Fischern wird ein Leuchtturm gebaut, Platz und Kühlschränke geboten um die schwere Arbeit zu erleichtern und rentabler zu gestalten. Alte Kirchen werden restauriert und als Kindergärten umfunktioniert. Die neuen Gemeinschaftshäuser bieten Platz für einen Frauenbund, einen Fernseher  und so vieles mehr.
Bei diesen Projekten ist deutlich zu sehen, dass die Architektur einiges kann, aber die Nutzung ihr Potential bestimmt.


[Die Lösung? ] 
Nehmen wir einmal Abstand von Budgetrechnungen, effizienzdenken, glamourösen Fassaden und starren Grundrissvorstellungen.
Jede Kultur, jede Gemeinschaft und jeder Mensch ist individuell und besitzt unterschiedliche Bedürfnisse, auf die reagiert werden kann und sollte. Es beginnt bereits beim Wohnraum, einem Ort, den wir alle zu verstehen glauben und von welchem wir zu wissen meinen, wie dieser auszusehen hat. Dabei nehmen wir doch aber nur die Perspektive unserer Selbst ein, welche darauf zurückgreift, was wir gelernt haben und unter welchen Bedingungen wir aufgewachsen sind. 
 
Um es kurz zu fassen, das Rezept zum perfekten Gebäude wird es nie geben! Zusätzlich zählt Architektur zu den kostenintensiveren und flächenmäßig größeren Langzeitprojekten. Das macht es entscheidend, sich Problematiken, Einflüsse und Ziele eines jeden Projektes bewusst zu machen und während des Entwurfsprozesses immer wieder kritisch zu hinterfragen.


- Mary


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 Quellenangaben: 

Webartikel: 
https://www.welt.de/vermischtes/article106186204/Niemand-will-in-Chinas-riesiger-Geisterstadt-leben.html
 

Lefebvre, Henri (1974);
​Die Produktion des Raums, in: Dünne, Jörg/ Günzel, Stephan (Hrsg.); Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften; Suhrkamp Taschenbuch Verlag; Frankfurt am Main, 2006


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